Sonntag, 9. August 2009

Befundauswertung: Mourre-de-la-Barque

Hier ist der erste Eintrag eines neuen Kapitels: meine Grabung und Befundauswertung aus der Höhle Mourre-de-la-Barque in der Provence. Die Höhle weist Funde aus der Jungsteinzeit auf und nun werden wir in den nächsten 4 Wochen versuchen, diese Funde etwas genauer zu analysieren.

Fangen wir also an:


1.Tag: Sonntag, 2.August 2009


Unmöglich ist es denn wirklich schon morgen? Nachdem ich gestern – oder besser gesagt schon fast heute – ziemlich spät ins Bett gekommen bin (für alle,die es nicht wissen, am 1. August ist Schweizer Nationalfeiertag, was gerne mit einem großen Feuerwerk gefeiert wird), fällt das Aufstehen um halb 6 wirklich sehr schwer. Trotzdem bleibt mir nichts anderes übrig, als mich aus meinem bequemen Bett zu schälen, in dem Wissen, dass ich in den nächsten 4 Wochen in einem Schlafsack eingewickelt im Zelt übernachten muss.

Wie dem auch sei, ich verstaue also noch meine letzten Utensilien in meinem tonnenschweren Koffer und mache mich fertig zur Abfahrt. Irgendwie vermisse ich meinen süßen Knuddelkater Diego jetzt schon und wie ich einen Monat ohne Internet und ohne Waschmaschine auskommen soll, ist mir auch noch nicht ganz klar.

Um halb 7 geht es dann schließlich los Richtung Basel. Treffpunkt ist zwar erst um 8 Uhr, aber man weiß ja nie, was alles so dazwischen kommen kann. Unter anderem muss man beachten, dass die schweizer Autobahn nach Basel praktisch nur aus Baustellen besteht.

Bis Basel läuft aber alles recht glatt, bis zu dem Zeitpunkt als es an die Feinarbeit geht. Unser Fahrdienst Samuel van Willigen hat als Treffpunkt den Grenzübergang St. Louis vorgeschlagen, weil er nicht sicher war, ob er noch Funde transportieren wird, die er dann aber nicht in die Schweiz einführen darf. Einziges Problem: so genau wissen wir gar nicht, wo dieser Grenzübergang ist. Zum einen ist nirgendwo St. Louis auf den Schildern zu lesen, zum anderen verläuft der Hauptverkehr nach Frankreich über die Autobahn.

Als wir dort recht ratlos ankommen, wird allmählich klar, dass wir Hilfe brauchen und wer eignet sich dazu besser, als ein hilfsbereiter schweizer Zöllner?

Dieser ist sehr nett und erklärt uns gern, dass es durchaus noch einen weiteren Grenzübergang in St. Louis gibt und zeigt uns auch gleich noch den Weg.

Vorsichtshalber ruf ich schon mal Steffi an, um zu klären, ob sie mehr weiß und auch sie „vermutet mal“, dass es der andere ist.

Also brechen meine Mama und ich auf und verfehlen prompt die Ausfahrt. Und als ob das nicht schon genug wäre, nehmen wir an der nächstbesten Wendemöglichkeit auch noch die falsche Ausfahrt beim Kreisverkehr.

Einige erschreckende Wendemanöver später und viele Nerven weniger, haben wir es dann endlich geschafft: der Grenzübergang ist erreicht. Zunächst sind wir noch etwas stutzig, weil keiner da ist, aber nach und nach trudeln alle ein und dann erreicht uns auch Samuel.

Glücklicherweise hat er doch beschlossen, die wertvollen Funde nicht mitzunehmen, so dass uns der gesamte Kofferraum des Kleinbuses zur Verfügung steht. Zum Glück! Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn ein tonnenschwerer Koffer eine 7000 Jahre alte, noch intakte Vase in Scherben legen würde!

Nachdem jeder Platz ausgenutzt wurde, kann es dann endlich losgehen. Laura, Erik und Daniel breiten sich auf der Hinterbank aus und Steffi und ich quetschen uns auf den breiten Beifahrersitz. Die Eltern winken noch alle zum Abschied, dann geht’s ab Richtung Süden.

Das Wetter ist gar nicht begeistert von unserer Abreise und drückt seine Ablehnung mit einem Wolkenbruch aus. So ist die Fahrt Richtung Bern, gar nicht so schön, wie sie eigentlich sein sollte. Irgendwo hinter dieser dicken Wolkensuppe sind die Alpen. Ich weiß es, ich hab sie erst ein paar Tage vorher gesehen, als wir bei strahlendem Sonnenschein auf genau dieser Strecke Richtung Interlaken gefahren sind.

Zunächst verbringe ich meine Zeit mit dem MP3-Player, ehe wir anfangen eine Diskussion über Filme und Serien zu führen. Zwischendurch machen wir noch Halt an einer Raststätte, um kurz aufs Klo zu gehen. Längst haben wir die französische Schweiz erreicht. Der Weg führt in schnellem, aber sicherem Tempo auf der Autobahn gen Süden, vorbei an Fribourg und Genf.

Kaum haben wir die französische Grenze passiert, scheint Samuel sich fast ein wenig dem hiesigen Fahrstil anzupassen, was sich durch geschicktes Spurwechseln ohne Blinker bemerkbar macht. Doch ansonsten ist keinesfalls zu meckern, vor allem nicht, als wir schon um halb 1 sicher und pünktlich zur Mittagspause in Grenoble ankommen. Hier wollen wir nämlich noch eine Ausgrabung besuchen. Dazu fahren wir auf den höchsten Berg, auf den die Straße in markanten Serpentinen hinaufführt, bis wir die Höhle erreicht haben (nicht ohne vorher unser Leben zu riskieren, indem wir die Straße überqueren müssen). Jetzt wird es Zeit die Französischkenntnisse wieder auszupacken, die man vor Jahren mal gelernt hat, denn der hiesige Grabungsleiter zeigt uns zwar gern alles, doch nur in seiner Landessprache. Zum Glück springt Samuel dann aber nach einiger Zeit ein und gibt uns eine Zusammenfassung auf Deutsch. Naja, scheint also doch etwas eingerostet zu sein mein Französisch, aber im Groben kann ich zumindest folgen.

Inklusive des Mittagsimbisses verbringen wir 2 Stunden bei dem Abri aus dem Neolithikum. Dann geht es Non-Stopp Richtung Provence. Viel bekommen die meisten von uns von dieser Fahrt nicht mit, denn der Nachmittagsschlaf lässt bald grüßen. Zum Glück wach ich aber immer wieder rechtzeitig auf, um hin und wieder etwas von der wunderschönen Landschaft der Alpen bewundern zu können. Ab jetzt fahren wir Landstraße und das Wetter ist herrlich sonnig und warm, auch wenn ich zugeben muss, dass ich in Grenoble noch eine Gänsehaut hatte. Wollen wir hoffen, dass das nicht so bleibt. Ich will doch nicht nach Südfrankreich fahren, um zu frieren!

Mit der Zeit werden die Dörfer kleiner und der Verkehr dichter. Es dauert jetzt nur noch eine Stunde, hat uns Samuel versichert, aber langsam kann keiner mehr so richtig sitzen. Kurz vor Manosque, also dem Ziel schon sehr nahe, geraten wir dann auch noch in einen Stau wegen einem Unfall. Sofort wird der Atlas gezückt, doch zum Glück findet Samuel auch ohne Hilfe einen Schleichweg.

Gegen halb 8 ist es dann endlich so weit: wir haben Aurabelle erreicht.

Bevor ich nähere Details über die Unterkunft gebe, hier noch ein paar Namen und Fakten: Aurabelle ist nicht wirklich ein Ort, sondern mehr eine große Domäne mit ein paar vereinzelten Häusern, die alle einer Familie gehört. Im Grunde leben hier mehr Pferde und Katzen als Menschen und die Häuser sehen auf den ersten Blick etwas...heruntergekommen aus. Aber wir wollen hier auch keinen Luxusurlaub machen, oder?

Aurabelle liegt in der Nähe der Ortschaft Vinon-sur-Verdon, wo man zumindest einkaufen und essen kann, aber auch kein wirklich riesiger Ort ist. Die nächste wirkliche Stadt ist wohl Aix-en-Provence, die 50 Kilometer entfernt liegt. Irgendwo dazwischen liegt unser Grabungsort Mourre-de-la-Barque, eine Höhle mit frühneolithischen Funden (weil dies nur ein kurz Bericht ist, erspare ich euch die fachmännischen Details. Wen es interessiert, fragt einfach nach).

Zurück zu unserer Ankunft. Wir teilen uns einen großen Hof mit der Besitzerfamilie dieser Domäne und einer weiteren Gastfamilie, doch jeder hat seinen eigenen Bereich. Wir haben eine Kochnische und einen großen Arbeits- und Aufenthaltsraum. Das Bad ist sehr gewöhnungsbedürftig, denn es ist gleichzeitig ein Klo und wenn sich das 10 Leute teilen müssen, wird das eine logistische Meisterleistung. Und noch etwas gibt es hier, womit keiner gerechnet hätte: sowohl eine Waschmaschine, als auch WLAN.

Ärgerlich, wenn man seinen Laptop zu Haus gelassen hat, aber Steffi hat versprochen, ihren mit mir zu teilen.

Nun ist unser Team fast komplett: unsere Professorin und ihr Sohn sind schon da, Cecilie und Cordula kommen prompt zur gleichen Zeit wie wir an. Nur Johann fehlt noch, aber der wird erst nächste Woche zu uns stoßen.

Schlafzimmer gibt es hier nur wenige, deshalb müssen wir auch im Zelt schlafen. Steffi und ich haben es da nicht so schwer, denn Steffi hat ein Wurfzelt mitgebracht und nach ein paar Sekunden ist bei uns die meiste Arbeit schon getan, nur noch ein paar Heringe müssen reingeschlagen werden und in Ermangelung eines Hammers, behelfen wir uns mit einem großen Stein. So viel zum Thema Steinzeit.



Cecilie und Cordula haben es da wesentlich schwieriger, denn sie haben ein riesiges schweizer Armeezelt mitgebracht, das sie nur mit Hilfe der starken Jungs aufstellen können.

Als dann endlich alle ihre Zelte aufgestellt und eingerichtet haben und wir unsere kommende Kampagne mit einem Sekt eingeleitet haben, machen wir uns auf nach Vinon. Heute leisten wir es uns nämlich essen zu gehen, wohingegen wir uns in den nächsten Wochen selbst bekochen müssen. Das kann ja heiter werden.

Wer die französischen Essgewohnheiten kennt, der weiß, dass man gerne spät und lange isst. Dieser Regel entsprechend ist es schon nach 9 als wir uns an einen Tisch setzen. Yummi, wir sind alle schon fast am Verhungern.

Eine Portion Nudeln mit Bolognesesauce später wünsche ich mir hingegen viel lieber ein Bett, selbst wenn es mein Schlafsack ist. Eigentlich geht es allen so und trotzdem geht es auf die Mitternacht zu, als wir uns endlich auf den Heimweg machen. Mittlerweile ist es unangenehm kalt geworden, sodass ich wirklich froh bin, dass ich noch meine Kuscheldecke mitgenommen hab.

Ja, es ist wirklich gewöhnungsbedürftig so eine Nacht im Zelt, aber ich bin längst so totmüde, dass mir selbst das egal ist.


2. Tag: 3. August 2009

Samuel hat uns davor gewarnt, dass wir spätestens um halb 8 von der Sonne in unseren Zelten gegrillt werden, doch als ich gegen 7 langsam aufwache, ist das noch längst nicht der Fall. Mühsam schäl ich mich aus dem Schlafsack, denn erholsam war diese Nacht nur mittelmäßig. Ganz zu schweigen davon, dass mir schon seit Stunden ein Vogel mit seinem monotonen Gekreische auf den Keks geht. Nun gut, wir wollen ja nicht schon am ersten Tag meckern oder?

Da die anderen genauso schwer aus ihrem Zelt kommen, gibt es praktisch keinen Stau am Bad, das ist praktisch.

Viel aufgeweckter als wir Zweibeiner sind zu dieser frühen Stunde die Katzen, von denen es hier sicher 6 oder 7 gibt, die mal schüchterner, mal frecher sind. Vor einigen von ihnen muss man das Essen regelrecht verteidigen, sogar der Kühlschrank muss gesichert werden, da eine sogar weiß, wie man diesen öffnet.

Bis alle sich gewaschen und umgezogen haben, ist der Frühstückstisch bereits gedeckt. Und wir reden hier nicht über einen kleinen Morgenimbiss, sondern eine reich gedeckte Tafel von Marmelade, über Croissants bis Käse und Wurst. Und selbstverständlich darf auch das Nutella nicht fehlen, dafür hat Brigitte extra gesorgt (immer noch ungewohnt eine Professorin zu duzen :p).

Für den ersten Tag läuft alles sehr relaxt ab, immerhin sind wir hier im Süden, da gibt es Uhrzeiten und Uhrzeiten, wie Samuel uns das erklärt. Bei Tisch klären wir schon mal ab, was die nächsten Tage gekocht wird und stellen dabei eine Einkaufsliste zusammen. Während also ein paar von uns den Vormittag in den nächsten Supermarkt fahren, schließe ich mich zusammen mit Steffi, Laura und Daniel der Gruppe an, die zusammen mit Samuel nach Aix fahren will, um die Ausrüstung und die Funde zu holen.

Unterwegs halten wir schon mal bei unserer Höhle (sorry, das Bild ist nicht gedreht) an, um dort eine Leiter hinzubringen. Wieder müssen wir uns waghalsig über die Straße stürzen, bevor wir eine steile Treppe erklimmen, aber schon bald ist unser Ziel erreicht.

Viel zu sehen gibt es noch nicht, außer der Tatsache, dass der Aufstieg in die Höhle selbst ein Abenteuer werden wird. Viel Platz ist nämlich nicht, um die 4m hohe Leiter hinaufzuklettern oder wahlweise über ein dünnes Brett zu balancieren. Aber momentan klettert nur Samuel hinauf, um die Leiter zu verstauen, während wir nur fasziniert zuschauen, wie er über den Felsen klettert.

Zurück beim Auto geht die Fahrt weiter nach Aix, um dort im Maison mediterranéenne de science des l'hommes unsere Ausrüstung abzuholen. Geparkt wird direkt vor der Eingansgstür und dann beginnt ein ewig langes Hin- und Her zwischen Lager und Auto mit Kisten und Kartons, Eimer, Sieben und Tonnen. Hätten wir einen Schrittzähler gehabt, hätten wir wohl einige Kilometer zusammenbekommen.

Aber es ist kaum zu glauben, trotz dem riesigen Berg an Fracht, bringen wir alles im Auto unter und können trotzdem noch 5 Personen mitnehmen. Ein echtes Wunderauto!

Vermelden muss ich an dieser Stelle meine erste Verletzung an einem Finger, die kaum der Rede wert ist, aber die so unbemerkt entstanden ist, dass ich sie erst bemerkt habe, als das Blut schon halb unter den Fingernagel gesickert ist. Obwohl es interessant aussieht, habe ich doch beschlossen, besser kein Foto zu machen.

Mittlerweile hat sich auch das Wetter gebessert. Zurück fahren wir auf der Autobahn, wo wir an einer Mautstelle noch eine interessante Begegnung machen. Ein Deutscher spricht uns an und will uns weismachen, dass er Probleme mit dem Automat hätte, doch Samuel redet sich geschickt, aber höflich heraus. Wie er uns später erklärt, kennt er diese Masche bereits und weiß, dass sich diese Leute günstig eine Autobahnmaut erschleichen wollen.

Zurück in Aurabelle werden wir bereits von den anderen erwartet, die eingekauft, geputzt und das Mittagessen vorbereitet haben. Es gibt Tomaten-Mozzarella-Salat, Käse, Wurst und einen anderen Salat. Ein leckeres, leichtes Mittagessen, um bei klarem Kopf zu bleiben, denn den brauchen wir heute Nachmittag noch.



In der Mittagspause zeigt uns Samuel außerdem noch den kleinen See hinter unserem Haus, wo wir gerne in unserer Freizeit baden können. Wirklich praktisch so eine Abkühlungsmöglichkeit direkt vor Ort.

Dazu bleibt aber jetzt keine Zeit mehr, denn jetzt werden erstmal alle Kartons herbeigeschafft, Tische zusammengebaut und alles genau sortiert, denn das große Zelt in unserem Hof wird in den nächsten Wochen unser Hauptarbeitsplatz werden.

Als alles aufgebaut und richtig gelagert ist, sind wir alle ziemlich fertig von der Hitze. Da kommt ein kühles Getränk im Inneren des Hauses genau richtig. Aber eine lange Pause haben wir nicht, denn jetzt müssen wir noch den Kopf anstrengen. Samuel hält uns nämlich noch einen Vortrag über die Höhle und deren Stratigrafie und zeigt uns im Anschluss viele der Funde.

Die Sonne scheint noch immer, aber langsam wird es kalt, vor allem, weil ein kräftiger Wind im Laufe des Tages eingesetzt hat, der unseren Zelten ganz schön zusetzt. Gut, dass unseres genau im Windschatten des Baumes steht :).

Ein Blick auf die Uhr verrät, dass es mittlerweile fast 19 Uhr ist und der geplante Trip zur Höhle mit der ganzen Gruppe fällt flach. Stattdessen macht sich Samuel mit ein paar Leuz, zu einem hiesigen Bauer auf, um dort frisches Obst und Gemüse zu kaufen, während der Rest von uns ausspannen kann. Steffi bietet mir großzügigerweise an, ihr Netbook zu benutzen, um meinen Bericht zu schreiben. Nur leider geht das ganze doppelt so lang wie geplant, weil ich mit diesem kleinen Ding und den Minitasten gar nicht klar komme. Bleibt zu hoffen, dass ich das noch lerne in der nächsten Zeit.

Es ist jetzt halb 10 und das Abendessen kommt nur langsam in Sicht. Cordula und Cecilie wollen uns eigentlich gefüllte Paprika machen, aber der Herd macht so seine Probleme. Sollte ich also weder heute Abend verhungern, noch in der Nacht erfrieren oder von Mücken gefressen werden, werde ich mich morgen wieder melden.


3. Tag: 4. August 2009

Die Nacht war kalt, sehr kalt. Mit Genickschmerzen und unter dem immer gleichen Gekreische des verhassten Vogels, wache ich gegen 7 auf und kletter mühsam aus dem Zelt. Auch heute gibt es keine größeren Probleme im Kampf um das Bad. Zumindest scheint an diesem Morgen schon mal die Sonne, aber wieder einmal ist es verdammt kalt.

Deshalb beschließen wir auch drinnen zu frühstücken, wozu wir uns Zeit lassen. Wie schon gesagt, es gibt Uhrzeiten und Uhrzeiten.

Voller Elan geht es aber schließlich ans Werk. Die Kisten, die wir gestern geschleppt und geordnet haben, müssen heute ausgeräumt und sinnvoll sortiert werden. Mit anderen Worten: nachdem wir alle Tische mit weißem Papier bezogen haben, breiten wir eine riesige Menge an Scherben aus. Für einen Laien ist das vielleicht nur ein Haufen Scherben, aber ich kann versichern, es steckt ein sehr kompliziertes System dahinter.

Zu uns stoßen heute auch noch zwei weitere Personen: Jörg, ein Doktorant aus Köln und Pascalle, eine Expertin für Keramik.

Während einige noch mit Ordnen beschäftigt sind, lernen Steffi und ich, wie man Scherben korrekt beschriftet. Dies geschieht, indem man eine kleine Ecke mit einer Glasur überzieht und dann mit Tusche einige Angaben darauf notiert, wie Jahr der Grabung und Angaben zur Schicht, in der sie gefunden wurde. An sich klingt das nicht schwer und eigentlich ist es das auch nicht, wenn man erst mal gelernt hat, wie man so klein schreiben kann, dass es in die kleine Ecke passt und man es gleichzeitig noch lesen kann.

Zum Mittagessen gibt es auch heute diverse Salate, die wir im Schatten genießen, denn es ist sehr heiß mittlerweile. Aber schließlich ist das das hiesige Klima und daran müssen wir uns gewöhnen.

Um 14 Uhr brechen wir alle zusammen zu unserer Höhle auf, bei der größten Hitze selbstverständlich, doch zum Glück liegt die Höhle auf der Nordseite.

Jetzt wird’s ernst, der Aufstieg steht bevor. Ein Blick auf die wacklige Leiter ist zunächst schockierend, doch es geht einfacher als gedacht. Selbst die gewöhnungsbedürftig Hühnerleiter übersteht jeder unbeschadet, um ins Innere zu gelangen. Da sind wir also, in der Höhle, um die sich diese ganze Kampagne dreht. Es ist...interessant, doch sehr ungewöhnlich. Die Höhle ist eng und schräg, kein Arbeitsplatz, um den ich mich reißen würde. Aber zum Glück werden sich unsere Grabungen vor der Höhle konzentrieren.

Nachdem wir uns wieder waghalsig hinaus geschlängelt und die engen Wege entlang gehangelt haben, fahren wir weiter zu einer Brücke über die Durance. Von hier hat man einen tollen Blick auf das Flussbett und die steilen Berge, die links und rechts davon emporragen. Wie uns Samuel erklärt, befindet sich unsere Höhle genau an der engsten Stelle des Tales. Da in damaliger Zeit der Fluss im Gegensatz zu heute sehr viel Wasser geführt hatte, mussten die Leute über das Bergplateau wandern, um dieses Hindernis zu überwinden. Der Weg auf das Plateau führt prompt an unserer Höhle vorbei.

Mit dem Auto schlängeln wir uns in Serpentinen auf den Berg hinauf, denn wir wollen noch eine weitere Höhle besichtigen. Leider fahren wir nicht bis direkt dorthin, sondern müssen noch einen ca. 2km langen Weg entlang laufen. Glücklicherweise ist dieser aber breit und leicht zu begehen und führt uns zu unserer Freude auch noch durch die wunderschöne Landschaft der Provence. Endlich sehen wir ein paar der so typischen, großen Lavendelfelder und passieren Olivenbaumplantagen. Besonders interessant sind die vielen wilden Kräuter wie Thymian und Rosmarin. Die Kräuter der Provence einmal live erleben.

Als wir schon fast am Ziel sind, wird der Weg schmaler und unbequemer, aber man hat eine wunderschöne Aussicht auf das Tal.

Die zweite Höhle ist wesentlich geräumiger als Mourre-de-la-Barque und verfügt über viele, dunkle, verzweigte Gänge. Da kommen unsere Taschenlampen zum Einsatz. In ihrem Schein wagen wir uns über steinige und steile Wege noch tiefer hinein, wo kein Tageslicht hinfällt. Alles sehr aufregend, wirklich! Doch trotzdem nicht unbedingt mein bevorzugter Arbeitsplatz.



Das wir alles andere als eine gemütliche Wanderung hinter uns haben, erkennt man spätestens daran, dass Jörg sich einen langen Riss in der Hose zugezogen hat, was besonders deutlich seine blauen Unterwäsche zur Geltung bringt.

Auf dem Rückweg sammelt sich jeder noch ein kleines Kräutersträuchen, ehe wir zurück nach Aurabelle fahren. Eigentlich war für heute noch ein Vortrag von Samuel und Brigitte über die Zielsetzung dieser Kampagne geplant, aber in Anbetracht der Zeit, fällt dieser zum Glück flach. Der Rest des Abends steht zu unserer Verfügung und das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Sofort schmeißen Steffi, Laura und ich uns in unsere Badeklamotten und hüpfen in den See. Ah, welch eine Erfrischung! Hierher werden wir in den nächsten Wochen noch oft kommen. Vor allem Steffi hat besonders viel Gefallen an dem Seil gefunden, mit dem man sich ins Wasser schwingen kann und sie erheitert Laura und mich immer wieder mit ihren amüsanten Tarzanimitationen.

Fast hätten wir die Zeit vergessen, aber zum Glück kommt Erik rechtzeitig vorbei, um uns zum Essen zu holen. Er und Daniel haben uns nämlich Risotto mit Auberginen gekocht, was wir gerne verspeisen.

Als das Mahl beendet ist, wird es Zeit für mich, einmal die ungewöhnliche Dusche zu testen. Mein Fazit: auf den ersten Blick erschreckender, als sie in Wirklichkeit ist. Der flexible Duscharm verhindert eine größere Sauerrei und warmes Wasser ist reichlich vorhanden. Also eine durchaus überraschend positive Erfahrung.

Nur als ich nachher im Zelt alles zu ordnen versuche, stelle ich fest, dass mein Kamm offenbar vom Erdboden verschwunden ist. Großartig, der erste Verlust, schon am dritten Tag.

Allmählich wird’s Zeit fürs Bettchen, oder besser gesagt Schlafsäckchen. Heute werde ich mich aber nicht vom Wassersprenkler auf dem nahegelegenen Maisfeld erschrecken lassen (fragt nicht, was Laura und mir gestern passiert ist).

Gut Nacht!


4. Tag: 5. August 2009

Und wieder ein Tag voller Sonnenschein, der aber erneut sehr kühl beginnt. Eigentlich hätte ich nichts gegen eine Stunde Schlaf mehr einzuwenden, aber was sein muss, muss nunmal sein. Zumindest ein Erfolgserlebnis gibt es: mein Kamm ist wieder da! Gerade rechtzeitig, damit ich heute nicht als Struwelpetra herumlaufen muss.

Nach dem Frühstück beginnen wir mit der Hauptaufgabe für die kommenden 4 Wochen: der Auswertung der Funde, genauer gesagt der Keramikscherben, die wir ja gestern so wunderbar auf den Tischen ausgebreitet haben.

Je ein Team kümmert sich um eine der beiden Tischreihen, um ein System in das Durcheinander von Scherben zu bringen und danach zu versuchen, die passenden zu finden. Wer ganz viel Glück hat, wie unser Scherbengenie Daniel, der findet auch welche, die direkt zusammenpassen.

Steffi und ich beschäftigen uns aber vorerst noch einmal mit der Beschriftung weiterer Scherben, ehe auch wir zu denjenigen stoßen, die sich mit den Scherben aus der Grabung von 2002 beschäftigen, die allein schon eine Tischreihe füllt.

Zunächst sind wir noch sehr enthusiastisch was diese Puzzelei angeht, doch nach und nach packt jeden die Demotivation, weil einfach nichts so richtig zusammenpassen will. Mit der Zeit kann keiner mehr diese verfluchten Scherben sehen und das nur nach ein paar Stunden???

Zum Glück ist unser Arbeitsplatz hier unter dem Zelt recht angenehm, als es auf die Mittagszeit zugeht. Es gibt ausreichend Schatten und Wind für alle und wenn man keine Scherben mehr sehen kann, ist es ratsam, ein Glas A- oder O-Saft zu trinken.

Wir sind alle sehr froh, als man uns zum Mittagessen ruft. Neben der üblichen Wurst- und Käseplatte und dem obligatorischem Tomatensalat gibt es heute noch Reissalat. Ja, ihr habt richtig gelesen, schon wieder Reis! Diese verdammten Reisreste wollen einfach nicht weniger werden. Aber wie es scheint, haben wir nun das letzte Korn vertilgt und können uns darauf freuen, dass es heute Abend Spagetti gibt.

Nach der restlichen Mittagspause mit lesen, spielen, schreiben, zeichnen und dösen, geht es weiter mit einem Vortrag von Samuel und Brigitte über die Zielsetzung dieser Veranstaltung. Etwas, was eigentlich schon für gestern angesetzt war. Danach ist Pascalle am Zug, die uns über eine weitere Höhle mit ähnlichen Funden informiert und die Probleme mit deren Stratigrafie erläutert. Die Mittagsmüdigkeit macht es leider nicht unbedingt leichter, dem französischem Vortrag zu folgen und so sind wir alle froh, als Samuel anbietet, als Dolmetscher einzuspringen.

Als wir gegen halb 5 mit dieser Kopfarbeit fertig sind, ist die Arbeit aber längst noch nicht gelaufen. Unsere Freunde die Scherben erwarten uns wieder und sofort wird wieder eifrig gepuzzlet.

Der Enthusiasmus ist aber schnell wieder verflogen, als die Erfolgserlebnisse rar werden und sich plötzlich ein ungeahntes Gewaltpotential gegenüber der 5000 Jahre alten Keramikstücke entwickelt. Die verfluchten Dinger wollen einfach nicht zusammenpassen und je später der Abend wird, desto lustloser werden wir. Nach Stunden des Suchens wird es uns einfach zu viel und trotzdem halten viele noch tapfer durch, bis die Uhr halb 8 schlägt.

Laura will uns heute Spagetti mit Pesto kochen und Steffi und ich greifen ihr etwas unter die Arme. Leider müssen wir erst noch warten, bis Samuel und ein paar andere mit frischen Zutaten vom Einkaufen zurückkommen und als dann alles beisammen ist, streikt auch noch der Mixer.

Auf diese Weise wird die Kocherei eine ziemliche Aufregung, was unseren angekratzen Nerven nicht gerade gut tut. Doch spätestens beim Essen wandelt sich dieses Tief um 180 Grad in die absolute Gaudi, sodass man kaum noch zum Essen kommt vor lachen und wir hinterher alle recht fertig sind.

Ansonsten läuft nicht sehr viel an diesem Abend. Es ist schon recht spät und während Steffi auf dem Klavier klimpert, schreibe ich noch meinen Bericht. Ich bin wirklich stolz, denn langsam beherrsche ich dieses kleine Ding recht gut. Eine gehörige Portion Schlaf wäre auch nicht schlecht, weshalb ich wohl bald ins Bett gehe und dort wohl die ganze Nacht von Zombie-Scherben träumen werde.


5. Tag: 6. August 2009

Von wegen früh ins Bett. Gegen aller Planungen ist der Abend trotzdem länger geworden als gedacht, weshalb ich mehr denn je Schwierigkeiten habe, um 7 aus dem Schlafsack zu kriechen. Es sind schon ein paar auf den Beinen, aber es schaut einer verschlafener drein, als der andere.

Frühstück gibt es wie jeden Morgen mit Verspätung und dementsprechend fangen wir auch später mit der Arbeit an. Doch das ist ja wohl nur gerecht, wenn man bedenkt, dass wir gestern sehr lange gearbeitet haben.

Die lieben Scherben warten nur darauf, neu geordnet zu werden. Nachdem wir gestern gemerkt haben, dass es komplizierter ist, als wir gedacht hatten, beschließen wir heute, dass wir ein neues System einführen. Dazu sollen erst mal alle Randscherben aussortiert werden, um sie je nach Gefäßform (offene Schale, geschlossener Topf etc.) zu ordnen, während der ganze Rest in farbliche Felder eingeteilt wird. Auf dieser Weise soll es uns wie beim Memory-Spiel helfen, später die Scherben eines Gefäßes zusammenzubringen.

Als es auf die 12 zugeht, entfernen Steffi und ich uns diskret, um das Mittagessen zu machen. Wie üblich gibt es Tomaten-Mozzarella-Salat, grüner Salat, Wurst und Käse und außerdem noch die Reste der Spagetti von gestern.

Dieses wird anschließend eifrig verspeist und wir liegen heute sogar so hervorragend in der Zeit, dass uns noch eine Stunde Mittagspause bleibt. Das wäre doch die perfekte Gelegenheit für ein Power-Nickerchen, damit sich das Müdigkeitsdrama von gestern, bei dem kommenden Vortrag nicht wiederholt.

Um 14 Uhr geht es weiter mit einem Vortrag von Brigitte über die Probleme der Keramiktypologie. Entgegen meiner Berfürchtungen kann ich ohne Schlafanfall folgen, obwohl es aus dem Mittagsschläfchen natürlich wieder nichts geworden ist, weil ich mit Laura lieber über Rollenspiele diskutiert habe. Glücklicherweise ist das Thema aber spannend genug (auch wenn ihr es kaum glauben wollt^^).

Gegen halb 5 geht es weiter mit dem praktischen Teil. Mit anderen Worten: SCHERBEN!!! Während ein Teil von uns die geordneten Randscherben vom Vormittag zusammenpuzzlet, schließe ich mich denjenigen an, die die zweite Hälfte Wandscherben nach dem gleichen System ordnen. Das ganze ist zwar weniger frustrierend, doch nach einer gewissen Zeit hat jeder von uns das Gefühl, dass die Dinger je nach Belieben ihre Farbe ändern, um uns zu ärgern. Zum ersten Mal bin ich froh, wenn ich schwarz sehe.

Zum zusammensetzen komme ich erst ganz zum Schluss und als ich schon mit einem Fuß dabei bin mit Steffi in der Küche zu verschwinden, kommt der Clou: meine erste Passscherbe! *jubel*

Zum Abendessen planen wir heute Ratatouille mit Ofenkartoffeln und Kräuterquark und tatsächlich läuft alles gut. Offenbar scheint es allen zu schmecken, denn zum Schluss bleibt nichts davon übrig.

Wir sind auch das erste Kochteam, das die Zeit einigermaßen einhält, sodass wir schon gegen 9 mit dem Essen fertig sind und wir den Abend ausklingen lassen können. Vielleicht wird es ja heute etwas mit dem Vorsatz, etwas früher ins Bett zu gehen. Auf das wir morgen noch mehr Passscherben finden!


6. Tag: 7. August 2009

Nein, es kann unmöglich schon wieder Morgen sein. Am liebsten würde ich mir meine Kuscheldecke über die Ohren ziehen und nochmal eine Runde schlafen, aber irgendwann muss ich einfach aus den Federn. Vor allem ist es ungünstig, wenn alle gleichzeitig auf das Bad einstürmen, also überwinde ich mich mal.

Ihr erratet sicher nicht, was wir diesen Morgen gemacht haben. Genau, Scherben zusammengesetzt. Tatsächlich finde ich sogar ein paar, aber die Rate ist niedrig im Vergleich zu den Stunden, die wir damit verbringen.

Ein Außenstehender hätte sicher seinen Spaß daran, eine Studie mit uns durchzuführen, nämlich die Langzeitauswirkungen von immergleichem Scherbenpuzzeln. Er würde sicher feststellen, dass spätestens am 5.Tag interessante Verhaltensmuster auftreten, die sich vor allem durch verrückte Gespräche bemerkbar machen. In diesem Fall rupfen wir alle Verschwörungstheorien auseinander, die uns in den Sinn kommen. Dabei bleiben weder die Pyramiden als Windbrecher, noch die Geheimnisse der Illuminati verschont. Wir kringeln uns fast vor lachen und kommen auf diese Weise den Vormittag heil über die Runden.

Zum Mittagessen gibt es neben diversen üblichen Salaten, auch einen Kichererbsensalat, den Isabelle für uns gemacht hat. Leider sind wir aber wieder so spät dran, dass uns wieder nur 20 Minuten für die Mittagsruhe bleiben. Also kaum der Rede wert. Trotzdem dösen viele von uns – mich eingeschlossen – in der Relaxecke auf den Sofas und Sesseln weg.

Doch Samuel kennt keine Gnade und weckt uns pünktlich zu seinem Vortrag über das Neolithikum in Südfrankreich. Dabei scheut er sich nicht davor, uns seine kritische Meinung zu präsentieren, für die ihn der ein oder andere konservative Forscher sicher in Stücke reißen würde.

Am Nachmittag geht es weiter mit den Scherben und je später es wird, desto verrückter werden unsere Gespräche und unsere Methoden. Laura zum Beispiel setzt auf die „Luftbildarchäologie“, indem sie sich auf eine Bank stellt und die Scherben von oben betrachtet, Steffi glaubt hingegen, dass sie mit geschossenen Augen die Energie der passenden Scherben aufnehmen kann.

Der Nachmittag ist sehr bedeckt, weshalb wir schon befürchten, dass ein Unwetter kommen könnte, aber gegen Abend klart sich der Himmel wieder auf und die Sonne kommt zurück.

Samuel und Brigitte sind längst in der Küche verschwunden, um uns Pizza zu machen und ich husch nach der Arbeit unter die Dusche. Diese zu beherrschen ist eine Wissenschaft für sich, doch dazu komme ich besser ein andermal.

Zum Abendessen schlagen wir uns den Bauch mit Pizza voll und führen ausführliche Gespräche über LARP, andere Rollenspiele, Star Wars, Harry Potter und Fluch der Karibik. Die Gespräche wollen fast gar kein Ende mehr nehmen, bis wir beschließen, dass es zu dunkel geworden ist, um draußen zu sitzen.

Nach dem Abwasch also ziehen wir uns zurück und lassen den Abend ausklingen. Für morgen ist unsere erste Exkursion geplant: ein Museum und Kanufahren, das wird interessant. Wollen wir nur hoffen, dass uns kein Gewitter heimsucht, denn im Zelt, das unter dem höchsten Baum steht, dürfte das wohl etwas unangenehm werden. Trotzdem werde ich wohl Richtung Zelt marschieren. Wir müssen morgen zwar später los, aber etwas mehr Schlaf tut sicher auch mal gut.


7. Tag: 08. August 2009

Ah, ausschlafen! Das tut mal richtig gut, bis auf die Tatsache, dass Samuel mit einer Sache recht hatte, nämlich dass man ab einer gewissen Uhrzeit im Zelt gegarrt wird. Dementsprechend sieht unser erster Wortwechsel des Tages so aus:

Ich (verschlafen): Jetzt kommt die Grillzeit.

Steffi(brummend): Mhm.

Ich(halb im Kissen vergraben): Trotzdem weiterschlafen

Steffi: Mhm.

Gegen 9 wagen wir uns dann aber doch alle nach und nach aus unseren Gemächern und tapsen zum Frühstück. Samuel ist natürlich längst auf den Beinen und hat frische Baguettes für uns besorgt.

Danach muss für die kommenden Tage eingekauft werden, weshalb ein Trupp loszieht, während der Rest von uns den Abwasch macht und noch ein bißchen die Küche in Ordnung bringt. Der Vormittag verläuft ansonsten sehr relaxt. Meinereiner liest zum Beispiel etwas in einem Buch, während Erik und Steffi ihr Klavierstück zum Gladiator Soundtrack perfektionieren. Es klingt wirklich toll!

Eigentlich war die Abfahrt für 11 geplant, doch bis das Einkaufsteam zurückkommt, geht es schon auf die 12 zu. Kein Grund zur Panik, wir sind hier ja schließlich im Süden, da geht alles seinen ruhigen Gang.

Als dann aller Proviant gerichtet und jeder seine Badeklamotten eingepackt und sich mit Sonnencreme eingeschmiert hat, kann es losgehen. Unsere erste Station heute ist zunächst das Musée regional de Prehistoire de Quinson. Um dort hin zu gelangen fahren wir über mehrere Berge die Serpentinenstraße hinauf und hinunter, entdecken dabei romantische Dörfer, weite Berglandschaften und hin und wieder Hänge mit den traurigen Überresten eines Waldbrandes.

An unserem Zielort legen wir zuerst mal eine Mittagspause ein, indem wir uns unter einen Baum setzen und picknicken. Gestärkt können wir dann zum Museum laufen und uns dort ein wenig amüsieren. Vor allem die gezeigten Filme und die nachgestellten Lebensbilder beschäftigen uns sehr, weil es immer einen Unterschied darin gibt, wie die Archäologie dargestellt wird und wie sie in der Realität ist. Außerdem stößt man immer wieder bei den Lebensbilder auf gewisse Tabus, die schwer zu brechen sind. Oder haben sich Frauen wirklich schon in der Jungsteinzeit die Beine eppeliert? Nein? Aber warum hat dann keine der Frauenfiguren haarige Beine? Und warum entspricht die Rollenverteilung immer dem typischen Bild? Wieso haben damals nicht die Männer gesponnen und die Frauen Speere geworfen?

Nach dem Museum haben wir uns genug intellektuell hervorgetan, jetzt kommt der Spaß. Samuel hat für uns eine Kanufahrt organisiert. Zu dritt klettern wir in die wackligen Boote, eingepackt in unsere dicken Schwimmwesten und setzten hinaus auf den Fluss. Leider hat sich inzwischen das Wetter verschlechtert. Ein Gewitter liegt in der Luft, weshalb wir darauf gefasst sein müssen, jederzeit umzudrehen. Geplant ist auf jeden Fall eine Stunde.

Steffi, Laura und ich teilen uns ein Kanu. Wie ihr euch vorstellen könnt, ist bei dieser Konstellation das Chaos eigentlich praktisch schon vorprogrammiert. Und spätestens nach den ersten 10 Minuten bewahrheitet sich das auch. Obwohl wir uns wirklich größte Mühe geben, das Kanu unter Kontrolle zu halten, will es einfach nicht so, wie wir wollen, mit dem Resultat, dass wir in verrückten Schlangenlinien hin und her kreuzen, aber einfach nicht so recht vom Fleck kommen. Dabei wollen wir doch eigentlich bis in die Schlucht rein fahren, die ein Stück flussaufwärts anfängt. Trotz allem haben wir aber einen riesigen Fun, auch wenn wir nicht sehr weit in die Schlucht hineinfahren können, bevor es schon wieder Zeit ist, umzudrehen. Auf dem Rückweg kommt uns das Kanu von Daniel, Erik und Samuel zu Hilfe, die dem Elend nicht mehr zuschauen können und uns ein Stück weit abschleppen. Samuel erklärt uns dabei auch das beste System, wie wir besser vorwärts kommen, nämlich, dass der vorderste paddelt und damit antreibt, während der hinterste steuert, indem er ab und an das Ruder reinhält. Tja, Glück für mich, die in der Mitte sitzt. Ich muss Laura nur Anweisungen geben, in welche Richtung sie steuern muss.

Auf diese Weise kommen wir doch recht gut zur Bootsvermietung zurück. Wir sind alle total nass, weil wir durch das Rudern immer Wasser reingeschaufelt haben, wir sind total im Chaos rumgekurvt, aber wir hatten unseren Spaß. Nur die Arme tun uns jetzt ganz schön weh.

Auf dem Rückweg wollten wir eigentlich noch in einem Dorf anhalten, um dort zu baden, aber das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung, als es anfängt zu regnen. Die meisten von uns bekommen aber davon wenig mit,weil Steffi, Laura und ich viel lieber über Dialekte diskutieren, mögen sie jetzt deutsch, schweizerisch oder englisch sein, und die zwei Jungs vor uns bald im Reich der Träume verschwunden sind.

Als wir zurück nach Aurabelle kommen, ist das Wetter undurchsichtig. Einerseits ist es sehr heiß und die Sonne scheint, auf der anderen Seite, sehen wir am Horizont, wie die Blitze über den tiefschwarzen Himmel zucken. Das hält uns aber trotzdem nicht davon ab, unsere Badesachen zu packen, die wir ja sowieso schon gerichtet hatten, und zu unserem See zu laufen, um uns doch noch unsere Abkühlung zu holen. Ein bißchen unheimlich ist es natürlich, wenn man schwimmt und dabei in der Ferne das Donnergrollen hört, aber schlussendlich zieht das Gewitter ohnehin von uns weg.

Heute ist grillen angesagt und in diesem Fall ist das Männersache. Während also unsere Männer das Holz herbeischaffen und den großen Grill anfeuern, können wir Mädels noch ein paar verrückte Videos im Internet anschauen.

Zu fortgeschrittener Stunde gibt es dann einen Apéro, bei dem Steffi gleich etwas zu tief ins Glas schaut (Zitat: „Alles dreht sich.“). Erik und Arvid sind heute die Grillmeister und opfern ihre Finger in den hohen Flammen, um uns Sardinen und Hecht zu grillen, die wir von Isabelle geschenkt bekommen haben.

Wir führen unterdessen interessante Diskussionen über die Studienordnung und den Neopanganismus, futtern Salat und Steffis Zazikki und merken dabei gar nicht, dass es später und später wird. Erst als die ersten nach und nach dezent im Zelt verschwinden wird klar, dass wir die Geisterstunde schon hinter uns gelassen haben. Sogar die Katzen, die von uns mit Fischresten versorgt worden waren, haben mittlerweile ihre Belagerung aufgegeben. Nur eine von ihnen, die alte, halbblinde Katze, die ich Grizabella, getauft habe, genießt es bei Steffi auf dem Schoß zu schlafen, die mittlerweile selbst kurz davor ist, wegzudösen. Schließlich beschließen wir, dass es wirklich Zeit ist, das Feld zu räumen.

Ohje, in unserem Zelt herrscht das reinste Chaos, aber jetzt ist sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuräumen. Das hat auch noch bis morgen Zeit, wenn wir unseren ersten freien Tag haben.

Gute Nacht!


8. Tag: 09. August 2009

Wir sind verschont geblieben, kein Gewitter hat uns geweckt. Nur eine Taube meint zu unmenschlicher Zeit, sich direkt vor unserem Zelt platzieren zu müssen, um uns mit ihrem Gegurre in den Wahnsinn zu treiben. Die nächste Schlafphase wird gegen halb 9 von Cordulas und Cecilies lautem Lachen unterbrochen, was besonders von Arvid aus dem Nebenzelt mit einem genervten Knurren kommentiert wird.

Um 9 halte auch ich es nicht mehr in der Sauna unseres Zeltes aus und husch ins Bad.

Zum Frühstück lassen wir uns alle heute besonders viel Zeit, nämlich bis auch der letzte von uns aufgestanden und gefuttert hat. Brigitte geht noch auf einen Dorfmarkt mit ein paar von uns, während Cecilie und Cordula mit ihrem Auto einen eigenen Ausflug zum Baden unternehmen.

Der Rest von uns verbringt seine Freizeit wie es ihm gefällt. In Samuels Fall sind das nach wie vor die Scherben, die er freudig pfeifend zusammensetzt, während wir froh sind, dass wir dazu heute nicht verpflichtet sind.

Ich gehe mal davon aus, dass heute nicht sehr viel spektakuläres passieren wird, deshalb habe ich beschlossen, erst mal ein Wochenresumée zu schreiben.

Für das bessere Verständnis hier erst mal ein paar Worte zu unserem Team:

Da wäre zum einen natürlich mal Steffi, die ihr ja schon aus dem früheren Bericht kennt. Um ein paar Stichwörter zu nennen, die zu ihr passen wäre da wohl passend: Serienjunkie, verrückte Nudel und Schlafanfall.

Als nächstes hätten wir da Laura, die am IPNA studiert. Wie wir festgestellt haben, hat sie ebenso einen Schuss wie wir und hat eine Vorliebe für allerhand Serien, Filme und Rollenspiele. Vor allem mit Monty Python kann man ihr Freude machen.

Erik, unser Musikus, hat für jede Situation den passenden Spruch und weiß, wie er die Leut am besten unterhalten kann. Egal welches Thema, er kann mit sehr viel Wissen aufwarten und berichtet hin und wieder über seine verrückten Erfahrungen beim schweizer Militär.

Wo er ist, ist meistens auch Daniel nicht weit, unser Nesthäkchen. Mit seinem trockenen Humor, den er jederzeit zum Einsatz bringt, gibt es eigentlich kaum eine lange Phase, in der wir uns nicht seinetwegen kugeln vor lachen. Besonders Süßigkeiten – Kekse vor allem – sind nirgendwo vor ihm sicher.

Cordula ist nicht nur Studentin, sondern auch Hilfsassistentin unserer Professorin, weshalb sie sehr oft damit beschäftigt ist, für den reibungslosen Ablauf des Programms zu sorgen. Es wäre nicht sehr ratsam, sie zu einem Lachkrampf zu verleiten, da dieser dann kaum mehr zu bremsen ist ^^. Sie wohnt zusammen mit ihrer Freundin Cecilie in dem größten Zelt weit und breit, das gerne von uns auch als Halle oder Palast bezeichnet wird (ein schweizer Armeezelt, das eigentlich Platz für 8 Personen bietet).

Dann wäre da natürlich noch Brigitte, unsere Professorin, die das ganze hier organisiert hat. Anfangs war es noch etwas ungewöhnlich vom Sie zum Du überzuschwenken, aber mittlerweile ist es zum Normalzustand geworden.

Sie ist zusammen mit ihrem Sohn Arvid (links) hier, was hin und wieder natürlich dazu führt, das die ein oder andere Mutter-Kind Diskussionen aufkommen. Doch im großen und Ganzen ist er sehr interessiert an unserer Arbeit und hilft eifrig mit. Außerdem hat er seine Leidenschaft für das Jassen (ein schweizer Kartenspiel) entdeckt, wenn er nicht gerade in seiner Freizeit Internetspiele spielt.

Zu guter letzt, ist da natürlich noch Samuel. Er ist zwar ein Franzose, studierte aber in Deutschland, weshalb er beide Sprachen perfekt beherrscht. Seine ruhige, geduldige Art ist vermutlich ein Grund, warum hier stets eine lockere Stimmung herrscht. Stets hilfsbereit und mit viel Humor versucht er uns für seine Scherben zu begeistern.

Der einzige, der noch fehlt ist Johann. Über ihn kann ich momentan noch nicht viel sagen, weil er erst heute Abend zu uns stoßen wird. Aber ich bin mir sehr sicher, dass er sehr gut in unsere verrückte Truppe passen wird.

Ansonsten wäre da nochmals Isabelle zu erwähnen, der dieses Haus und die umliegenden Gebäude gehört. Sie schaut ab und an vorbei und versorgt uns gerne mit Leckereien. Ihre Tochter Sarah studiert übrigens auch Archäologie und schreibt nun an ihrer Masterarbeit über die Knochengeräte von Mourre de la Barque.

Nach einer Woche haben wir uns hier alle gut eingelebt. Natürlich gibt es hin und wieder Sprachbarrieren, aber mit Händen und Füßen kann man notfalls nachhelfen.

Erstaunlicherweise wurde bisher keiner von uns von einer Wespe gestochen, obwohl die Viecher besonders bei Tisch sehr nervig sein können. Im Haus hingegen sind es die Fliegen, die einem in den Wahnsinn treiben.

Das Essen muss stets gesichert sein, nicht nur vor hungrigen Katzen, sondern auch vor kleinen Ameisen, die durch die ein oder andere Ritze kriechen und ebenso versessen sind auf alles was süß ist, wie Daniel.

Von den Katzen gibt es hier jede Menge. Zutraulich sind aber eigentlich nur drei von ihnen: ein schwarzer Kater namens Marchavons(1. Katzenfoto), der sich besonders gerne in Pose wirft, um seine Schönheit zu zeigen, eine graue Katze, namens Minou (3. Katzenfoto unten) und hochschwanger ist, weshalb sie gerne dem Schwarzen eine Ohrfeige verpasst und eine ganz alte, hellbraune Dame (2. Katzenfoto), die halb blind ist und gerne kuschelt, wenn man sie sich auf den Schoß holt. Alle anderen nähern sich den Zweibeinern lieber nicht.

Unser Haus hat ebenso seine Eigenheiten. Entgegen jeder Logik muss man zum Beispiel den Herd auf 2 stellen, da dies die höchste Stufe ist, wohingegen 6 die niedrigste Stufe ist.

Um die äußere Badtür zu schließen, sollte man ihr immer noch einen kleinen Schubs geben, damit sie einrastet und bei der Dusche ist die Temperaturverstellung ein Fall für das Feingefühl, andernfalls erfriert man oder verbrüht sich.

WLAN ist vorhanden, allerdings nur, wenn man den Platz am Schreibtisch ergattert, bei dem natürlich Brigitte und Samuel Vorrang haben, oder man platziert sich unmittelbar daneben auf die Treppe.

Unsere kleine Zeltstadt wurde unmittelbar hinter ein paar riesigen Tannen gestellt. Das zu Hause von Steffi und mir, ist das zweite von links, am besten von rechts erreichbar, um nicht über Arvids Seil zu stolpern, neben dem Armeisenloch scharf links.

Tagsüber wird es meist sehr heiß, in der Nacht hingegen kühlt es stark ab, weshalb es auf erträgliche Temperaturen im Zelt abkühlt. Ansonsten ist es nachts eigentlich ganz gut zu schlafen, wenn nur der Untergrund nicht ganz so hart wäre.

Essen tun wir meistens draußen, soweit es morgens noch nicht zu kühl ist. Die Vorträge zur Mittagszeit finden dagegen drinnen statt. Unser Untergeschoss besteht außerdem noch, aus dem genannten Bad, einer Kochnische mit 2 Spülen, einer Ecke mit einem Sofa und mehreren Sesseln, sowie einem Klavier.

Der Ort selbst ist sehr ruhig. Ich habe noch nicht gezählt, aber ich schätze ihn auf 6-7 Häuser, umgeben von Pferdekoppeln. Wenn man mal keine Scherben mehr sehen kann, lohnt es sich, den Blick in die Ferne schweifen zu lassen, wo man einen kleinen Ort namens Gréoux entdecken kann, der für seine Thermalquellen bekannt ist.

Ansonsten gibt es wohl nicht mehr viel zu sagen. Persönliche Statistik: noch keine Verluste, keine nennenswerte Verletzungen. Ich habe es sogar geschafft in meinem Buch zu lesen, das daheim schon seit einiger Zeit neben meinem Bett gestanden ist. Ich werde es wohl kaum fertig bringen, aber zumindest ein gehöriges Stück weiter kommen.

Das nächste auf meinem Tagesplan ist jetzt, mein Zelt aufzuräumen. Nach einer Woche sieht es in meinem Koffer schon ziemlich wild aus.

Ich nehme alles zurück, was ich vorhin gesagt habe, es ist doch noch etwas spektakuläres passiert: ein riesiges Unwetter ist aufgezogen. Mit einem mal schüttet es wie aus Kübeln, begleitet von einem Gewitter direkt über unseren Köpfen und als ob das nicht genug wäre, mischen sich auch ein paar Hagelkörner darunter. Entsetzt sehen wir zu, wie unser Hinterhof geflutet wird und bangen um unsere Zelte. Jetzt können sie beweisen, was in ihnen steckt.

Erik will aber lieber auf Nummer sicher gehen und stürzt sich oben ohne in die Fluten, um sich zu vergewissern, dass alle Zelte zu sind, während sich Samuel eisern bei seinen Scherben verschanzt und dort gar nicht mehr wegzubringen ist. Schließlich greifen auch Daniel und Arvid ein, um zu versuchen einen Entwässerungsgraben um die Zelte anzulgen. Da aber das Gewitter noch immer über ihren Köpfen tobt, schickt Samuel sie wieder rein. Schließlich braucht er seine Arbeitskräfte ja noch.

Man könnte glauben, die Welt geht unter, aber was bleibt uns anderes übrig, als drinnen auszuharren? Nach einigen Stunden ist der Spuk dann endlich vorbei und wir können Bilanz ziehen. Zum Glück ist es nochmal gut gegangen, bis auf das Zelt von Laura, in dem es etwas feucht geworden ist, sind alle anderen unversehrt geblieben.

Jetzt sieht es aus, als wäre nichts gewesen. Zwar ist der Himmel noch bedeckt, doch das Schlimmste scheint überstanden. Grund genug, unseren Grillabend vorzubereiten, während Cordula und Cecilie einen französischen Aprikosenkuchen für uns backen.

Samuel ist inzwischen losgefahren, um Johann abzuholen. Er wird im großen Zelt Asyl finden. Ich hingegen werde jetzt endlich mal den Bericht online stellen und morgen weiter berichten, sollte sich noch etwas nennenswertes ereignen.

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