Montag, 17. August 2009

Eine neue Woche

9. Tag: 10. August 2009

Was um alles in der Welt hat diesen Kerl geritten, dass er uns in aller Herrgottsfrühe aufstehen lässt? 7 Uhr war ja schon früh genug, aber jetzt muss man schon eine halbe Stunde früher aufstehen, wenn man rechtzeitig zum Frühstück kommen will. Ab heute sind wir nämlich in zwei Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 zu der Steffi, Cecilie, Johann und ich gehören, bleiben weiterhin hier und setzen Scherben zusammen, während der Rest von uns mit Samuel zur Höhle fährt und dort gräbt. Warum das ganze eine halbe Stunde früher sein muss, verstehe wer will.

Gruppe 2 macht sich nach dem Frühstück also vom Acker und wir starten in eine neue Woche voller neolithischer Scherben. Aber um es gleich vorweg zu nehmen: heute ist nicht ein Tag wie jeder andere; heute ist ein Glückstag! Zunächst sotiere ich noch ein paar Scherben ein und kaum habe ich mit dem Puzzeln angefangen, stoße ich schon auf die erste Passscherbe! Wunderbar! Dieser Erfolg wird noch dadurch getopt, dass ich zum selben Gefäß bald darauf wieder eine finde *jubel*. Auch die anderen hat der Ehrgeiz gepackt und das Ergebnis lässt sich wirklich sehen. Brigitte ist besonders stolz, dass ihr Gefäß mehr und mehr Gestalt annimmt, denn immerhin gehört es zu den wenigen Bronzezeitgefäßen und diese kann Samuel gar nicht leiden (er hat was gegen die Bronzezeit, aber ich kann nicht verstehen, wieso).

Ohne Daniel und Erik ist es fast totenstill hier im Zelt, was das ganze zwar weniger amüsant macht, aber dafür können wir uns wohl besser konzentrieren als sonst und puzzeln eifrig vor uns hin.

Zum Mittagessen machen Steffi und ich noch schnell einen Tomaten-Mozzarella-Salat und stellen Reste von gestern auf den Tisch. Natürlich schauen wir zu, dass alles zum richtigen Timing passiert, sodass wir nach dem Essen noch eine Stunde zum Ausruhen haben.

Dummerweise bilde ich mir ein, die Zeit nutzen zu müssen, um ein paar Fotos in meinen Blog einzubinden, anstatt ein Mittagsschläfchen zu halten. Das rächt sich später damit, dass ich größte Mühe habe beim Vortrag von Brigitte über Material und Verarbeitung von Keramik die Augen offen zu halten.

Anderen geht es wohl nicht anders, sodass Brigitte nach dem Vortrag noch eine kurze Pause einplant, bevor wir mit den Scherben fortfahren. Also ganz kurz die Augen zugemacht, noch einen Traubenzucker eingeworfen und dann wieder an die frische Luft.

Heute Nachmittag wechsel ich die Farbe. Während ich mich heute morgen auf rote Scherben konzentriert habe, bleibe ich jetzt bei den beige/braunen. Mit Erfolg, wie sich zeigt, denn auch hier finde ich Ergänzungsstückchen. Wenn das nicht mal ein guter Tag ist.

Dementsprechend sind wir alle sehr stolz, als Samuel am Abend mit den Gräbern zurückkommt, die ganz schön staubig aussehen. Offenbar sind auch sie fündig geworden.

Außerdem hat Samuel noch jemand mitgebracht: das Besitzerehepaar unserer Höhle. Sie interessieren sich sehr für unsere Arbeit und bestaunen alles. Kein Wunder, schließlich gehört nach französischem Recht eigentlich alles ihnen.

Die Ausgräber dürfen sich gnädigerweise im See abkühlen, während wir noch tapfer weiter puzzeln, bis die Uhr 7 schlägt. Eigentlich habe ich ja noch gehofft, ein weiteres Stück zu finden, weil ich mit Steffi eine Wette am Laufen hatte, bei der ich ihren Schokokuchen hätte gewinnen können, sofern ich vor ihr noch eine passende Scherbe gefunden hätte. Aber da wir beide erfolglos geblieben sind, hat sich das erledigt.

Nach einer erfrischenden Dusche, lässt man die Haare am besten in der warmen Sonne trockenen. Brigitte kocht heute für uns und es duftet schon sehr fein. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, heute will ich wirklich früher ins Bett. Sonst dös ich morgen vermutlich noch über den Scherben ein.


  1. Tag: 11. August 2009

Ich habs tatsächlich geschafft, gestern etwas früher ins Bett zu gehen, aber das hilft rein gar nichts, wenn um halb 7 wieder der Wecker klingelt. Irgendwie eigenartig, als ich aufstehe, scheint jeder noch zu schlafen, aber als ich aus dem Bad komm, sind die meisten schon am Wuseln.

Der Sinn dieser halben Stunde ist mir immer noch nicht ganz klar, denn bis das Grabungsteam weg ist, ist es ja sowieso wieder nach 8.

Wir hingegen widmen uns wieder den Scherben. Leider hält die Glücksträhne von gestern nicht so ganz und so brauchen wir neue Motivation. Wo gehobelt wird, fallen Späne und wo Scherben zusammengesetzt werden, dröhnt schon bald Musik aus unserem Arbeitszelt.

Ja, auch wir verbessern unsere Infrastruktur und zwar tun wir das, indem wir einen Laptop mit Lautsprecherboxen aufbauen und eine CD nach der anderen reinschieben. Wir starten zunächst mit einer Berner Band und enden gegen Mittag in den 60er.

Besonders hilfreich ist das nicht, weil unsere Erfolgsquote gering ist, aber wenigstens eine Passscherbe finde ich durch Zufall. Brigittes Laune ist hingegen an einen Tiefpunkt angelangt, weil einfach nichts passen will.

So beschließen Steffi und ich, dass es Zeit ist, das Mittagessen vorzubereiten.

Als wir dieses vertilgt haben, haben wir noch eine Stunde Zeit zum Ausruhen und diesmal nutze ich sie auch. Geschickt gelingt es mir vor Steffi das Sofa zu belagern, wodurch sie leider gezwungen ist, sich ein Bett aus Polster auf dem Boden zu bauen. Nur ein paar Minuten vergehen, dann sind wir beide weg vom Fenster. Geweckt werden wir pünktlich zum Vortrag, als Cecilies unverwechselbares Lachen in den Wänden dröhnt, weil sie sich eine Wasserschlacht mit Johann liefert. Diesem Vorbild schließen wir uns gerne an, nutzen aber als Waffen lieber ein paar Kissen, bis wir beide wach sind.

Wir beginnen heute mit einem praktischen Teil, in dem wir uns ein paar Scherben genau ansehen, um an ihnen Bearbeitungsspuren festzustelen. Anschließend erstellen wir einen Merkmalskatalog, ehe uns Brigitte noch einen Vortrag über die sozialgeschichtliche Dimensionen der Keramik hält. Dieser mischt vor allem die alten Klischees auf, nach denen einfache Handkeramik Frauensache und technologisch entwickelte Drehscheibenkeramik bei den Männern lag.

Heute ist es extrem heiß, weshalb es gut ist, dass wir eine Stunde später als sonst wieder raus gehen und weiter an den Scherben basteln. Noch immer totale Flaute. Auch, als wir Samuel anrufen und er uns erlaubt noch ein paar Kisten mehr auszuräumen, wird es nicht viel besser.

Dann endlich mein Durchbruch! Ich beschließe, mich noch einmal dem Gefäß von gestern zu widmen und Pascalle findet ein hübsches großes Teil für mich, zu dem ich schon bald die passende Bruchstelle hab. Und die Glückssträhne geht weiter. Pascalle und ich sind ein gutes Team. Zusammen wächst unser Gefäß um ein ganz schönes Stückchen an, was später stolz von Samuel betrachtet wird, als er mit den anderen zurückkommt. Der Rest von uns hatte leider nicht so viel Glück. Besonders Brigitte ist frustriert, dass sie heute einfach nichts gefunden hat. So sagt sie sogar noch vor 7, dass wir aufhören können, bevor wir noch eine Scherbenvergiftung bekommen.

Bis zum Abendessen – die Jungs wollen Chilli Concarne machen – dauert es noch etwas, sodass Steffi und ich noch die günstige Gelegenheit ergreifen, um in den See zu hüpfen. Samuel beglückt inzwischen Cecilie mit einer neuen Klobrille, weil die alte schon seit ein paar Tagen kaputt ist, was vor allem Cecilie nicht losgelassen hat.

Die Rache für die freche Signatur auf der Klobrille lässt nicht lange auf sich warten. Mutig greift Cecilie zur Sprühsahne, wartet den günstigsten Moment ab und verpasst Samuel schließlich ein hübsches weißes Häubchen. Rache ist eben buchstäblich süß.

Da es nun gleich Essen gibt, will ich noch kurz ein paar Verbesserungen anschließen was die Katzennamen angeht. Der Schwarze heißt Gouravon, die halb blinde alte Dame heißt Sissi, benannt nach der österreichischen Kaiserin. Die graue, hochschwangere Dame, heißt Minou und inzwischen ist sie auch nicht mehr schwanger, sondern stolze Mutter von 4 kleinen Kätzchen, die wir aber leider noch nicht zu sehen bekommen haben.

Morgen geht es endlich auch für uns auf die Grabung, da bin ich schon mächtig gespannt.


  1. Tag: 12. August 2009

Heute war ein anstrengender Tag mit mittelmäßigem Erfolg. Aufstehen ist natürlich wieder wie immer um halb 7 angesagt. Das Einschlafen gestern war alles andere als einfach, weil Cecilie aus irgendeinem Grund in einen schrillen Lachkrampf ausgebrochen ist, der uns alle wachgehalten hat.

Das ändert aber nichts daran, dass ich mich müde ins Bad schleppe und dann erst beim Frühstück so recht wach werde.

Leider beginnt mein Tag mit einer schlechten Nachricht, die in gewisser Weise auch euch betrifft: meine Digicam hat den Geist aufgegeben. Mit anderen Worten, ich kann für die restliche Zeit keine Fotos mehr machen und kann nur hoffen, dass Steffi diesen Part ausgiebig für mich übernimmt.

Heute ist endlich mal graben angesagt. Dazu packen wir ausreichend Futter, sowie etwas Ausrüstung und den Generator ein und fahren zu unserer Höhle. Dort werden wir erneut aufgeteilt. Johann und Cecilie graben heute und morgen vor der Höhle, während Steffi und ich rein gehen. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Vor der Höhle muss man viel akribischer arbeiten und jeden Fund genau einmessen. Drinnen hingegen müssen wir nur Abhübe von je 10cm in einer kleinen Fläche machen und die geschaufelte Erde später sieben, um sie auf Objekte zu durchsuchen. Dafür hat man vor der Höhle weit weniger Mühe zum Sieb zu kommen. Wenn wir das machen wollen, müssen wir die vollen Eimer erst in einem halsbrecherischem Manöver die Hühnerleiter hoch und die andere Leiter dann wieder runter transportieren.

Aber mit der Zeit bekommen wir richtig Routine darin und finden einen Rhythmus, wie wir uns abwechseln, denn in der Ecke der Höhle ist nur Platz für einen zum Graben, während der andere die Erde zum Sieb bringt und sie dort durchsucht.

Jetzt sind gute Augen gefragt. Nach dem Sieben bleibt einiges zurück, doch das meiste sind nur unbedeutende Steine und Erdklumpen. Aber wenn man sich erst mal richtig eingesehen hat findet man auch viele Tierknochen, Keramikscherben und hin und wieder sogar ein Silexartefakt. Besonders stolz bin ich auf meine Pfeilspitze, an der man die Bearbeitungsspuren noch ganz deutlich sehen kann.

Um halb 1 machen wir unsere Mittagspause. Dazu setzen wir uns auf ein paar Steine und verspeisen unseren Proviant.

Auch heute ist es wieder sengend heiß. Das Thermometer geht auf die 38 Grad zu, da haben wir Glück, dass unsere Höhle auf der Nordseite liegt und außerdem von Bäumen geschützt ist. In diesem Sinne hat man sogar Glück, wenn man in der Höhle arbeiten kann, weil dort angenehm kühle Temperaturen herrschen.

Verrückterweise sind wir nicht die einzigen, die sich in der Höhle rumtreiben. Als es nämlich gegen Abend zugeht, stoßen wir in unserem Schnitt ausgerechnet noch auf einen Mäusebau. Mit dem Resultat, dass nach und nach kleine süße Mäuschen aus den Löchern huschen und verzweifelt versuchen, vor uns zu flüchten. Uns tut es ja leid, dass wir genau dort graben müssen, aber da können wir nunmal nichts daran ändern.

Als wir um 17 Uhr Schluss machen, haben wir insgesamt 30cm für heute abgetragen. Nicht ganz so viel, wie wir eigentlich vorgehabt hatten, aber immerhin schon mal ein Anfang.

Fix und fertig und vor allem total staubig wagen wir uns an den Abstieg und huschen geschwind über die Straße zum Auto. Jetzt nichts wie los unter kaltes Wasser. Vorher machen wir aber noch einen Abstecher zu einem Obst- und Gemüsehändler, um dort noch etwas Obst zu kaufen.

Zurück in Aurabelle, können wirs kaum erwarten, unter die Dusche bzw. in den See zu kommen. Ich bevorzuge die Dusche, weil ich irgendwie zu müde zum Schwimmen bin. Dafür spar ich mir das warme Wasser und komme hinterher wie ein Eisklotz raus. Welch eine Erfrischung!

Habt ihr euch schon mal an eurem Duschgel die Finger verbrannt? Das geht ganz einfach: Lasst euer Duschzeug den ganzen Tag im Zelt in der prallen Sonne stehen und wartet nicht, bis es sich wieder abgekühlt hat. Voilá!

Heute kocht Pascale für uns und es duftet schon mega fein. Eins ist aber sicher, heute bin ich so totmüde, dass selbst ein Lachanfall aus dem Nachbarzelt mich nicht wachhalten kann.



  1. Tag: 13. August 2009

Die Nebel von Av...äh...Aurabelle. Sie ziehen noch über die Weiden und Felder als ich mühsam aus dem Zelt krieche. Heute will irgendwie so gar niemand richtig aufstehen. Aber schlussendlich führt kein Weg dran vorbei, dass auch heute wieder Arbeit angesagt ist.

Diesmal begleitet uns auch Arvid zur Grabung in Mourre de la Barque. Er gräbt zusammen mit uns im Inneren der Höhle. Um Platzproblemen vorzubeugen bekommen wir noch einen zweiten Quadrant, den wir zu bearbeiten haben.

Also auf ein Neues mit Buddeln, Eimer schleppen und Sieben. Arvid ist auch freudig dabei, bevorzugt aber lieber unseren alten Quadrant, weil man dort weniger auf die Schichten achten muss.

Zur Mittagspause gibt es natürlich wieder ein feines Picknick mit Brot, Salami und Käse. Als es zum Nachtisch Melone gibt, erzählt uns Samuel von all den Spielen, die man mit Melonenschalen anstellen kann. Unter anderem ein Schalenrennen auf einem Abhang voller Asche. Leider haben wir keinen Ascheabhub mehr, sodass es nicht so gut funktioniert. Dafür starten wir einen Schalenweitwurf. Anschließend versuchen Samuel und Arvid aus den umliegenden Steinen Abschlagwerkzeuge herzustellen, was aber eher minderen Erfolg hat.

Am Nachmittag geht es weiter mit der Graberei. Dabei ist es gar nicht so einfach, sich auch an die Schichten zu halten, wenn diese sehr schwer zu erkennen sind. Dafür freuen wir uns über ein paar große Knochen und Scherben, ansonsten gibt es nichts Spektakuläres zu berichten.

Da Samuel heute noch Besuch bekommt, will er schon um 16 Uhr aufhören. Mit dem Resultat, dass wir ein ganz schönes Chaos hinterlassen, obwohl wir uns bemühen alles noch in Ordnung zu bringen. Die Zeit reicht aber leider nicht, um noch den Abhub fertig zu bringen. Tja, die nächsten werden sich freuen.

Ich bin nicht ganz so müde wie gestern und der Muskelkater kann ohnehin nicht schlimmer werden. Also was spricht dagegen noch ein kurzes Bad im See zu nehmen? Hinein ins kühle Nass!

Der Spaß ist aber nur von sehr kurzer Dauer, denn Steffi und ich müssen bald wieder raus, um das Essen zu kochen. Eigentlich wollten wir ja Pouletgeschnezeltes mit Rahmsoße machen, aber da das Einkaufsteam keine Hühnerbrust sondern Schenkel gebracht hat, disponieren wir ein kleinwenig um. Wir improvisieren mehr oder weniger, mit dem Resultat, dass es erstaunlich gut schmeckt. Nur die Nudeln ärgern uns ein kleinwenig, besser gesagt das Nudelwasser, denn es will und will einfach nicht kochen. Erst nach langem Warten können wir unser Menü vollenden und auftischen.

Die Zeit schreitet voran und wir unterhalten uns noch lange unter dem Sternenhimmel, unter anderem auch mit Samuels Freund Henning, der uns für ein paar Tage besucht. Als die meisten von uns eigentlich schon überlegen, ins Bett zu gehen, wartet Brigitte aber plötzlich noch mit einem Film über die Keramikherstellung bei einer ägyptischen Großfamilie auf. Wir sind alle sehr müde, aber unsere Neugier siegt schließlich.

Der Film ist interessant, wenn auch wenig hilfreich, um die Augendeckel oben zu halten. Dementsprechend ist es verständlich, dass wir hinterher nach und nach ins Zelt huschen.


  1. Tag: 14. August 2009

Es macht wenig Unterschied, dass wir heute eine viertel Stunde länger schlafen können. Zumindest können wir davon ausgehen, dass es heute nicht körperlich anstrengend wird, wie an den Grabungstagen, dafür verlangt es wieder sehr viel Konzentration, um Passscherben zu finden.

Irgendwie tue ich mich heute sehr schwer einen Anfang zu finden, bzw. eine Scherbe, die mich anspricht. Also besinne ich mich noch einmal auf mein Lieblingsgefäß und tatsächlich! Ich finde eine kleine Scherbe, die exakt in eine Lücke passt. Leider ist das aber auch schon wieder alles, was dieser Tag an Erfolgserlebnissen zu bieten hat. Da kann auch nicht der Soundtrack zu Fluch der Karibik 1-3 helfen, der aus den Boxen des Laptops erschallt. Auch Henning versucht ein wenig sein Glück, aber auch er wird nicht wirklich fündig.

Nach dem Mittagessen ist wieder etwas Ruhe angesagt. Steffi und ich bestreiten ein Wettrennen um das Sofa, das ich gerade so gewinne, mit dem Resultat, dass sie sich einfach auf mich wirft. Keine Chance, ich weiche nicht. Sie unternimmt zwar den Versuch, einfach auf mir zu schlafen, doch als ihr das zu unbequem wird, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich doch ein paar Polster von den Sesseln zu nehmen und sich wieder auf den Boden zu legen.

Doch erneut begeht sie einen schwerwiegenden Fehler, als sie nochmal aufsteht, um etwas in die Waschmaschine zu werfen, denn Daniel findet dieses provisorische Bett einfach zu verlockend und wirft sich ungeniert drauf. Fluchend und jammernd grabscht sich Steffi also noch die letzten Polster und kommt dann endlich zu Ruhe. Auch Laura hat es sich in einem Sessel bequem gemacht und schlussendlich gesellt sich auch Erik zu uns, der aber mehr oder weniger nur auf dem bloßen Boden schlafen kann. Egal, Hauptsache schlafen.

Brigitte findet das natürlich überaus amüsant und kann sich nicht beherrschen ein Foto von dieser verrückten Szene zu machen (ich werde versuchen, das Foto irgendwann mal aufzutreiben). Oh welch eine erholsame Ruhe! Zumindest bis zu dem Moment, als Erik mit einem lauten Klatscher eine Fliege vernichtet. Mittlerweile ist es schon nach 14 Uhr und Samuel möchte jetzt langsam mit seinem Vortrag anfangen. Also lauschen wir seinen Erklärungen über Seriation und Korrespondenzanalysen.

Danach widmen wir uns wieder den Scherben, auch wenn es wenig motivierend ist, wenn man nichts findet. Steffi versucht dem zwar entgegen zu wirken, indem sie Green Day aufdreht, aber das hilft meinem Glück nicht weiter. Erst Recht nicht, als Samuel mir noch den Auftrag gibt, Wandscherben für ein bestimmtes Gefäß zu finden, dass so gar keine markanten Merkmale hat. Ich such und such und irgendwie passt alles und gar nichts. Also gebe ich die Suche irgendwann auf und verbringe meine Zeit lieber damit, noch ein paar Scherben zu beschriften, dann tue ich wenigstens etwas Sinnvolles.

Abendessen kochen heute Laura und Johann. Es gibt Schweinefleisch süßsauer mit Reis, aber bis es soweit ist, dauert es noch ein bißchen. Zeit genug also, um vorher einen Apéro einzulegen und ein wenig zu quatschen. Inzwischen ist auch Hennings Frau eingetroffen. Die beiden kommen übrigens aus dem Saarland, wohnen aber in Lörrach. Henning ist die gesamte Strecke mit dem Fahrrad gefahren, total verrückt.

Nach dem Essen sitzen wir noch einige Zeit beisammen und bewundern den Sternenhimmel. Eine Sternschnuppe jagt die nächste! Allzu lange können wir eigentlich nicht aufbleiben, denn morgen haben wir ein ziemlich volles Programm. Trotzdem mach ich es mir noch ein bißchen auf dem Sofa bequem und les in meinem Buch, ehe ich im Zelt verschwinde.


  1. Tag: 15. August 2009

Dass es heute ein schmerzhafter Tag werden wird, hätte ich mir eigentlich schon denken können, als ich an diesem Morgen in meine Waschtasche greife und mich dabei aus versehen an meinem Rasierer schneide. Ein hübscher „Schlenz“ zieht sich jetzt über meinen rechten Mittelfinger, der einfach nicht zu bluten aufhören wollte, bis ich ihm mit einer kräftigen Dosis Sprühpflaster zu Leibe gerückt bin.

Nun gut, noch kein Grund zur Panik.

Nachdem wir alle gefrühstückt, unsere Sachen gepackt und uns fertig gemacht haben, ist es Zeit, um Abschied zu nehmen von Brigitte und Arvid, die heute wieder nach Hause fahren. Für Arvid heißt es am Montag nämlich wieder: ab in die Schule. Dass wir uns nach typisch französischer Manier mit Wangenküsschen verabschieden, ist einem 13jährigen wie ihm natürlich unendlich peinlich.

Schließlich geht es gegen halb 10 los mit unserem Ausflug. Unser Ziel ist heute die Gegend um Martigues, etwa 35km westlich von Marseille. Dort haben wir ein sehr strenges Programm. Wir beginnen es praktisch im Nirgendwo, mitten in einer Aprikosenplantage. Ja, das klingt jetzt seltsam und ich kann euch versichern, es kommt noch besser. Samuel hat es sich in den Kopf gesetzt, uns zu einem Felsplateau zu führen, wo einst ein Haus der Glockenbecherkultur stand. Diese Kultur ist gekennzeichnet durch eine bestimmte Form von Gefäßen (wie der Name schon sagt). Nachgewiesen ist sie in Mitteleuropa vor allem durch Bestattungen, in Südfrankreich dagegen über Siedlungen. Diese standen in den meisten Fällen an den unmöglichsten Stellen, die kaum zugänglich waren. Was das genau bedeutet, erfahren wir heute am eigenen Leib.

Denn kaum haben wir die Plantage hinter uns gelassen, wird der Feldweg plötzlich schmaler und schmaler, bis er schließlich ganz verschwindet und wir einer weiten Hügellandschaft voller Sträucher gegenüberstehen. Diese entpuppen sich schon bald als fieses Dornengestrüpp, das nicht gerade angenehm zu durchqueren ist, wenn man kurze Hosen an hat. Doch lässt sich ein Abenteurer davon abhalten? Natürlich nicht. Es gibt tatsächlich kleine Pfade, die aber großteils zugewuchert sind und immer wieder geraten wir in Sackgassen, wo wir entweder umkehren oder uns einfach durch die Wildnis schlagen. Mit dem Resultat, dass wir bald schon alle völlig zerkratzte Beine haben.

Warum machen wir das? Tja, das frage ich mich ehrlich gesagt auch. Als es uns endlich gelungen ist, den angesteuerten Felsen zu erreichen, erwartet uns schon die nächste Herausforderung, nämlich das Hochklettern. Ohne Seil und Netz kraxeln wir die steile Felswand hinauf und stehen dann auf einem Plateau mit grandioser Aussicht. Die Frage nach dem Sinn ist aber noch immer nicht geklärt, denn archäologische Spuren sind auf diesem Brocken jedenfalls keine mehr zu sehen. Naja, Hauptsache man war mal da.

Das Hochklettern war eine Sache, das wieder runter kommen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wie durch ein Wunder kommen wir aber alle unbeschadet wieder unten an und dürfen uns dann wieder durch das Gestrüpp zum Auto zurückschlagen. Irgendwann spürt man den Schmerz gar nicht mehr und auch nicht, dass es mittlerweile ganz schön heiß geworden war.

Nach ausgiebigem Trinken geht die Fahrt weiter. In der Nähe eines kleinen Dorfes halten wir nochmal an und besichtigen eine römische Brücke, die zum Glück ohne einen abenteuerlichen Marsch erreichbar ist.

Allmählich wird es Zeit für das Mittagessen, was noch fehlt ist ein lauschiges Plätzchen dafür. Wir haben inzwischen den Etang de Berre erreicht, ein weiter See, der eine Verbindung zum Meer hat und deshalb Salzwasser führt. Die Idee, an dessen Ufer zu picknicken, klingt natürlich verlockend, nur leider scheint das ganze Ufer in Privatbesitz zu sein. Nach einigen Wendemanövern und Kartenstudieren finden wir schließlich doch einen öffentlichen Strand, wo wir uns unter einen Baum setzen und das Picknick verspeisen. Die Verlockung ins kühle Nass zu springen ist natürlich groß, aber da wir noch ein straffes Programm haben, bleibt dafür keine Zeit. Nicht so schlimm, denn später wollen wir sowieso noch baden gehen.

Nach der Mittagspause fahren wir direkt nach Martigues, einem hübschen Ort, der direkt am Zufluss zum Meer liegt. Unser Plan ist es, dort in ein Museum zu gehen, aber Samuel hat nicht wirklich eine Ahnung, wo sich dieses überhaupt befindet. Kein Problem, einem Franzosen liegt es im Blut, sein Ziel dennoch zu erreichen und er führt uns so geschickt durch die Gassen, dass wir gar nicht richtig merken, ob wir womöglich einen Umweg machen.

Schließlich finden wir das Museum tatsächlich, allerdings hätten wir beinahe wieder umgedreht. Als wir das Haus nämlich betreten, erklärt uns der Mann an der Kasse, dass dies eine Kunstgalerie sei und ein archäologisches Museum eigentlich erst für die nächsten Jahre geplant ist. Hätte Johann nicht gerade noch rechtzeitig einen Blick in den ausgelegten Ausstellungskatalog geworfen, hätten wir womöglich nie erfahren, dass diese Galerie sehr wohl eine ganz kleine archäologische Abteilung hat und die Sammlung der Ausgrabungen sogar im Archiv verwaltet. So viel zum Thema Auskunftsfreudigkeit. Dafür dürfen wir aber auch umsonst rein, weil wir ja nur einen kleinen Raum besichtigen wollen und die vielen Bilder, die sich über 3 Stockwerke verteilen, links liegen lassen.

Nachdem wir alle noch das WC konsultiert haben, geht die Suche weiter. Diesmal nach der Rekonstruktion eines eisenzeitlichen Siedlungsquartiers, das sich irgendwo im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses befinden soll. Samuels Instinkt führt uns erstaunlich schnell zum Ziel und so können wir beruhigt Martigues hinter uns lassen.

Wie sehr träumen wir alle schon von einer schönen Abkühlung? Nichts da! Vorher wird noch das Abri de la Font-des-Pigeons besichtigt. Als wir den Feldweg sehen, der sich den Berg hinauf schlängelt befürchten wir, schon wieder einen Gewaltmarsch auf uns nehmen zu müssen, aber zum Glück befindet sich das Abri schon hinter der nächsten Kurve. An sich wenig spektakulär, doch Samuel erklärt uns ausführlich, welche Bedeutung diese Fundstelle für die südfranzösische urgeschichtliche Forschung gehabt hat.

Zu guter Letzt werfen wir noch einen Blick in das hiesige, kleine Museum, wo die Funde des Abris ausgestellt sind. Eigentlich sind wir noch wenig motiviert, nachdem wir heute schon so viel besichtigt haben und dafür alles gegeben haben. Aber der Mann im Museum weiß, wie er uns aufmuntern kann, indem er uns sogleich mit wunderbar kaltem Wasser empfängt, das eine wunderbare Erfrischung liefert.

So können wir uns doch noch aufraffen, den Fundstücken die nötige Aufmerksamkeit zu geben, ehe Samuel uns endlich mitteilt, dass es Zeit ist, ans Meer zu fahren. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen.

Nur noch ein paar Kilometer mit dem Auto und schon nähern wir uns Carro Plage. Dass sich dieser Strand sehr viel Beliebtheit erfreut ist unschwer daran zu erkennen, dass sich die Leute wie die Sardinen im Sand platziert haben.

Der ein oder andere von uns schlägt deshalb vor, dass wir doch lieber wieder zurück fahren und im See baden, aber zum Glück überwiegt der Mehrheitsbeschluss, es doch auf einen Versuch ankommen zu lassen. Tatsächlich finden wir ein nettes Plätzchen, wo noch ganz so viel los ist, was vermutlich daran liegt, dass es keinen Sandstrand gibt, sondern Felsen über die man hinein gelangt. Für uns stellt das kein Problem dar, schließlich haben wir heute schon verrücktere Klettermanöver hinter uns gebracht.

Viel Zeit bleibt leider nicht, da es schon recht spät ist und wir noch einen weiten Weg zurück vor uns haben. Aber es reicht noch, für die lang ersehnte Abkühlung im salzigen Nass, wo wir alle noch unseren Spaß haben.

Schön in Salz paniert, können wir also den Rückweg antreten. Es ist Samstag, das bedeutet, dass es der ideale Tag ist, um zu grillen. Henning und seine Frau haben in unsere Abwesenheit schon einiges dazu vorbereitet und so können wir schon bald unsere Festmahl beginnen, sodass wir alle hinterher fast platzen.

Wir sind alle schon recht müde von diesem anstrengenden Tag, doch wir halten noch eisern durch, denn schließlich müssen wir mindestens bis Mitternacht wach bleiben. Warum? Na weil Laura Geburtstag hat. Da darf zu gegebener Zeit ein Ständchen von uns allen natürlich nicht fehlen und Isabelles Familie trägt ihren Teil dazu bei, indem sie ihr einen Geburtstagspfirsich mit Kerzchen schenkt.

Schlussendlich wird es aber dann doch Zeit ins Bettchen zu huschen, in der Gewissheit, dass wir morgen endlich mal wieder ausgiebig ausschlafen und faulenzen dürfen.


  1. Tag. 16. August 2009

Ausschlafen ist die eine Sache, im Zelt nicht verbruzelt zu werden, eine andere. In diesem Fall tritt der Garrmoment etwa gegen halb 9 ein. Zunächst harre ich noch ein wenig aus, indem ich mich eben auf meinen Schlafsack lege, dann aber halte ich es nicht mehr aus und krieche aus dem Zelt, während Steffi weiter schlummert.

Samuel ist natürlich längst auf den Beinen und hat frisches Brot für uns besorgt. Außerdem verwöhnt uns Cordula noch mit einem zopfartigen Gebäck, einer Spezialität aus Fribourg.

Einen freien Tag verbringt man am beste mit Nichtstuen. Johann sieht das nicht ganz so, denn er ist heute schon sehr früh aufgebrochen, um mit dem Bus nach Marseille zu fahren. Cordula, Cecilie, Erik und Daniel sind hingegen nach Orange gefahren. Steffi und Laura verbringen den Vormittag damit, True Blood zu schauen, eine Serie, in der es wohl irgendwie um Vampire geht, was mich aber nicht unbedingt reizt. Deshalb setze ich mich unter einen Baum, lese zunächst ein bißchen und rufe dann daheim an, weil die Kommunikation per E-Mail und SMS in den letzten Tagen nicht ganz so reibungslos verlaufen ist.

An sich verläuft der Tag wenig spektakulär, was mal eine willkommene Abwechslung ist. Vielleicht backen wir später noch einen Geburtstagskuchen für Laura.

Wenigstens können wir unseren freien Tag diesmal ausgiebig genießen, im Gegensatz zu letzter Woche, wo es uns verregnet hat.

Heute ist Halbzeit. In den nächsten zwei Wochen wird Anthony ein Kollege von Samuel hier mit seiner Familie wohnen und uns noch ein bißchen was zu der Keramik beibringen. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass das Internet anspringt, damit ich meinen Bericht online stellen kann.

Den Nachmittag lese ich noch etwas weiter in meinem Buch und genieße den Schatten und den Wind unter einem Baum, sodass ich kaum merke, dass es ganz schön heiß ist.

Der Abend beginnt zunächst mit einem Apéro, zu dem es neben Erdnüsschen auch Garnelen gibt. Normalerweise mag ich ja nicht so gerne Meerestierchen, die mich noch ansehen, aber heute muss ich gestehen, dass sie einfach ausgezeichnet schmecken.

Die anderen sind immer noch nicht zurück. Um Cordula und Co müssen wir uns weniger Sorgen machen, denn sie haben sich bereits gemeldet und erklärt, dass es es etwas später wird. Leicht beunruhigt sind wir eher wegen Johann, der immer noch nicht aus Marseille zurück ist. Als Samuel schließlich bei ihm auf dem Handy anruft, erfahren wir, dass die Busgesellschaft vergessen hat, den letzten Bus zu schicken und unser armer Johann noch immer in Marseille steht. Noch bleibt Samuel da völlig cool. Dass der öffentliche Verkehr hier nicht ganz einwandfrei funktioniert, scheint hier ganz normal zu sein.

Erst mal wird jedenfalls die Lasagne verspeist, die Henning und seine Frau für uns gezaubert haben. Sie schmeckt einfach himmlisch!

Gegen 10 trudeln dann auch die anderen ein. Zum Glück, sonst hätten wir die 3 Bleche Lasagne ganz allein essen müssen.

Cordula und Cecilie finden es aber alles andere als witzig, dass Johann immer noch nicht zurück ist und wollen schon aufbrechen, um ihn abzuholen, aber Samuel sieht das nicht sehr eng. Wenn Johann nicht nach Somalia entführt wurde, oder aus versehen in die Fremdenlegion eingezogen wurde, wird er schon einen Weg zurück finden.

Als Nachspeise tischt Steffi einen großen Kuchen für Laura auf, die ja noch immer Geburtstag hat. Dies ist aber ein ganz besonderer Kuchen, ganz nach feiner Archäologenmanier: ein Tumulus-Kuchen mit integrierter Stratigrafie aus diversen hellen und dunklen Cremes und Böden, einer Grabkammer aus Nüssen und oben drauf einen hübschen Dolmen aus Merinken. Bevor wir alle ein Stück davon bekommen, muss Laura aber noch die Stratigrafie abzeichnen, dann kann das Schlemmen losgehen. Ich glaube es will keiner wissen, wie viele Kalorien in diesem Ding stecken.

Gegen halb 12 mach ich mich dann auf ins Bett, schließlich müssen wir morgen wieder arbeiten. Und damit keiner beunruhigt ist: gegen 12 kommt auch Johann zurück.

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