Sonntag, 27. Juli 2008

Neues von der Ausgrabung



Tag 4 (23- Juli 2008) – Überfall der Reporter

Daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen, als der Wecker wieder um 6.30 Uhr klingelt. Das Morgenritual ist heute aber schon weit eingespielter. Jeder weiß, wann er am geschicktesten wo steht, um pünktlich 7.15 Uhr abmarschbereit zu sein. So kann die S-Bahn noch gut erreicht werden und wir können uns dem beliebten Berg widmen.
Von wegen Gewohnheitssache! Zumindest ist es heute mit dem Muskelkater, dem schmerzenden Rücken und den strapazierten Knien bestimmt nicht einfacher sich dort hinauf zu schinden (kann denn niemand dort eine Rolltreppe einbauen?).


Zum Glück schaut es aber heut weit freundlicher aus, sogar die Sonne lacht uns entgegen, als wir unseren zweiten Arbeitstag antreten. Jeder schnappt sich seinen Partner, seine Ausrüstung und seine Grabungsfläche und dann geht’s weiter.

Steffi und ich widmen uns wieder der rätselhaften Mauer auf unserer Fläche und vertreiben uns die Zeit mit allerhand Kinderliedern. Gegen elf bahnt sich dann eine neue Herausforderung an: eine Meute Reporter ist im Anmarsch.

Als erstes stürzen sie sich natürlich auf Maria und Dr. Best, Glück für uns, so denken wir. Zumindest bis sie plötzlich ausströmen und sich neue Opfer suchen, denn die Studenten aus Basel sind schon eine Sensation im fernen Bielefeld.

Noch lachen Steffi und ich über die zwei Gestalten, die sich sofort Sophia als Opfer aussuchen („Und lächeln!“), aber schon im nächsten Moment haben auch wir ein Mikro vor der Nase, um für Radio Bielefeld ein kurzes Interview zu geben. Tja, was soll ich sagen? Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit.

Der Nachmittag hätte eigentlich gemütlich werden können, doch zuvor erwartet uns nach der Mittagspause noch ein kleines Fotoshooting und wieder ist Sophia die Auserwählte, die sich im Vordergrund hervortun kann (oder besser: muss!), während wir nach typischem Klischee an einem längst ausgegrabenen und bereits restaurierten Kamin herum kratzen. Warum auch die popligen Ausgrabungsflächen fotografieren, wenn es doch eine so schöne große Mauer gibt, vor der man ein so schön gestelltes Foto machen kann?
Da sind mir ein paar reele Schnapschüsse lieber.























































Zum Feierabend hin können wir mit Stolz sagen, dass wir die erste Hälfte unserer Fläche doch ganz schön abgearbeitet haben. Somit können wir uns also für die kommenden Tage der Ziegelhälfte widmen, damit wir zum Fest am Wochenende eine schöne, gleichmäßige Ausgrabungsfläche haben.




Abendessen ist heute unsere Aufgabe (*muhahahaha*). Steffi hat ein interessantes Rezept herausgesucht, das wir zaubern wollen: Pouletbrust in Pfeffersoße mit Gemüsereis. Also auf in die Küche und zu Topf und Messer gegriffen. Naja, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber man muss schon sagen, es schmeckt…interessant.

Kurze Inspektion vor dem Bett: Muskelkater: geht eigentlich; Rücken: naja, knackst etwas; Hände: etwas in Mitleidenschaft gezogen; Knie: ohje, die Knie *ächz* Möge der neue Tag beginnen.



Tag 5 (24. Juli 2008) – Hinter Gittern

Irgendwann gewöhnt man sich sogar an den frühen Weckruf und das Morgenritual wird zur Routine. Heute stürzen Sophia und Piroska sogar noch früher zur Tür hinaus, um noch vorher eine Zeitung kaufen zu können, schließlich sind wir ja jetzt berühmte Leute. Tatsächlich finden wir uns auf der Titelseite der Neuen Westfälischen Zeitung wieder, doch der Inhalt des Berichts ist sehr enttäuschend. Namen und Fakten wurden völlig verdreht und das obwohl sich diese Zeitung so sehr rühmt.

*Keuch**ächz* Trotz nörgelnder Knie, wird der Sparrenberg auch heute wieder bezwungen und die Arbeit kann weiter gehen. Dieses Mal wird es Zeit für die zweite Hälfte unserer Fläche, wo uns viele, viele Ziegel erwarten. Die meisten sind leider schon kaputt, doch ein paar können durch unser sorgfältiges kratzen und fegen gerettet werden, sodass wir schon bald eine interessante Sammlung beisammen haben. Aber auch ein paar Keramikstücke mischen sich unter unsere heutigen Funde.

Etwas nervig ist nur die Sache mit dem Bauzaun. Offenbar fürchten die Schausteller des Sparrenburgfestes, das an diesem Wochenende stattfinden soll, zu wenig Platz zu haben und bedrängen uns damit immer mehr in unserem kleinen Territorium. Immer näher und näher rückt der Bauzaun, sodass wir mühsam mit unseren Schubkarren jonglieren müssen. Da ist wahre Fahrkunst gefragt.

Im Laufe des Tages füllt sich der Platz mit Wägen für das Fest, ebenso wie mit seltsamen Menschen, von denen man manchmal wirklich glauben kann, sie gehören einer anderen Spezies an. Seltsamerweise zeigen genau diese sogenannten „Mittelalterfans“ recht wenig Verständnis für unsere Arbeit und ärgern sich vielmehr warum wir gerade jetzt dort graben.

Heute verlässt uns Maria schon etwas früher, weil sie noch zu einer Beerdigung muss und lässt uns allein weitergraben. Das nutzt der aufdringliche Herr vom Bierstand natürlich sofort, um sich widerrechtlich des Wasserschlauchs zu bemächtigen (das wird Konsequenzen nach sich ziehen!).


Uns gehen leider langsam die Lieder aus. Vielleicht wär mal ein Radio nicht schlecht? Aber zum Glück ist während des Wochenendes für Unterhaltung gesorgt.
Nach Feierabend stechen wir mit unseren Bielefelder Mitgräbern Laura und Marco auf einen Absacker in eine Bar, bevor es uns wieder nach Hause zieht, wo uns Piri und Sophia eine Gemüsesuppe zaubern.

Im Nachhinein sind wir doch alle etwas verärgert über die dreisten Schausteller des Festes. Zu erwähnen ist da sicher der Kerzenverkäufer, der seinen Stand schlauerweise direkt vor unseren Eingang platziert hat und sich auch noch darüber aufregt, wie wir es wagen können genau bei ihm durchzuschleichen. Eine Kerze werde ich bei dem sicher nicht kaufen.
Ansonsten sind wir aber alle gespannt, was die kommenden Tage bringen werden, denn es werden viele, viele Besucher erwartet, die unsere Arbeit bestaunen wollen. Da müssen wir ausgeschlafen sein, also Gute Nacht ;)




Tag 6 (25. Juli 2008) – mitten drin, statt nur dabei

Acht Uhr ist doch eine etwas humanere Zeit, auch wenn der Bettzipfel nur schwer loslässt. Nach dem Frühstück und dem Broteschmieren geht es dann also los. Leider ist auch heute der Berg nicht kleiner geworden, die Temperaturen hingegen werden immer wärmer.
Hechelnd oben angekommen erwarten uns bereits die Stände des Mittelaltermarktes. Ohne lästige Lastwagen und Baustellen sieht das Ganze nun doch sehr interessant aus. Nach einem kurzen Spaziergang durch den noch verschlafenen Markt, kehren wir also hinter unsere Gitter zurück.

Als erstes knöpfen Steffi und ich uns mal die letzte Ecke der Ziegelhälfte vor, um alles auf das gleiche Niveau zu bringen (nachdem wir die lästige Zwiebel beseitigt haben, die seltsamerweise den Weg über den Zaun gefunden hat).
Aufregung gibt es auch bei der Leitung. Einer der Standbesitzer hat sich ohne Erlaubnis unseres Wasserschlauchs bemächtigt und das obwohl in diesem Bereich bakterienverseuchtes Wasser durch die Leitung läuft, das nicht zum Trinken geeignet ist.

Diese Angelegenheit muss uns Wühlmäuse aber nicht weiter stören und so widmen wir uns weiter unseren Ziegeln und Steinen. Gegen Mittag dann lässt sich die Pause gut mit einem weiteren Spaziergang durch den nun belebten Markt verbinden. Gerüche und Musik erfüllen schon bald das Gelände, ebenso wie viele, viele Menschen.
Diese bestaunen im Laufe des Nachmittags selbstverständlich unsere faszinierende Tätigkeit. Vor allem die Kinder können sich kaum mehr vom Bauzaun losreißen, während andere die Sache hingegen nicht ganz so ernst nehmen (wie ein paar Musiker, die uns mit Zigaretten füttern wollten).

Ein Besucher der besonderen Sorte ist auch ein weiterer Reporter, der seine Runden bei uns dreht und dessen Fragen doch etwas merkwürdig sind; zumindest hab ich noch niemanden getroffen, der eine einfache Grenzschnurr so faszinierend findet. Vergleiche mit Indiana Jones sind damit natürlich vorprogrammiert, aber wie immer meistern wir diesen Fragenhagel mit links ;) (und immer schön in die Kamera lächeln^^).

Mit dem offiziellen Beginn des Marktes, starten auch die Führungen durch die Ausgrabung. Im Stundentakt kommen nun die Gruppen und lauschen mit Andacht den Erklärungen von Dr. Best, während wir dem kaum Beachtung schenken und in Ruhe unsere Scherben ausgraben. Besondere Funde heute waren weitere Scherben des grünglasierten Keramikgefäßes, das laut Dr. Best aus dem 16. Jhd. stammen müsste; sowie weitere Scherben eines nicht glasierten Gefäßes aus dem 18. Jhd..

Gegen vier läutete für uns dann also die Feierabendglocke und wie könnte man diesen besser begießen als mit einem Becher Met? *hihi* Mit einem Rosinenbrötchen (wohl doch eher einem Brot?) bewaffnet, wagen sich Steffi und ich so an den Abstieg.

Nachdem die anderen von ihrem Einkauf zurück sind, zaubert uns Katharina noch ein Gemüsegratin. Anschließend genießen wir den freien Abend, den wir heute besonders lang nutzen können, da wir morgen erst später arbeiten müssen. Internet ich komme! ^^

1 Kommentar:

Svea Widderich hat gesagt…

Finde ich total interessant, was du da machst. Ich würde sowas auch mal gerne machen...bei Ausgrabungen mitmachen. In den Spuren von Jahrhunderten graben. Toll!